19.-25.10.2011
karte klicken für route – click map for large scale
‚tashi-deleg!‘ – tibetisch ‚hallo‘, das ist das erste und von mir in der folge, angesichts der mir entgegengebrachten freundlichkeit, noch viel zitierte tibetische wort, das mir mein obligatorischer, aber sehr symphatischer guide namgyal gleich nach dem empfang an lhasa’s modernem bahnhof beibringt.
über zwei tage und zwei nächte war ich von chengdu aus über chining mit dem zug unterwegs, dieses mal im komfortableren ‚hard sleeper‘-waggon auf der qinghai-tibet bahn. diese über knapp 2.000 km durch das beeindruckende tibetische hochland führende, mit einem scheitelpunkt von 5.070 m höchste bahnstrecke der welt, an der auch der höchste bahnhof (tanggula, 5.048 m) und der höchste tunnel (4.905 m) liegen, ist ein bahntechnisches meisterwerk, auf das china – mit recht! – besonders stolz ist.
der untergrund der zu einem großen teil über permafrost-boden führenden strecke wird sogar dort künstlich gefroren gehalten, wo er – im winter zwar gefroren – im sommer sonst auftauen und weich würde und damit nicht ausreichend belastbar wäre. die eigentliche attraktion dieser fahrt aber ist die großartige landschaft des hochlandes, das von schneebedeckten 7.000er gipfeln eingerahmt wird und heimat tausender yaks ist, die hier friedlich weiden.
noch mehr jedoch beeindruckt mich schließlich tibet’s hauptsadt lhasa, dabei natürlich weniger der westlich gelegene, moderne chinesische,…
…sondern vor allem ob seiner exotik und fremdartigkeit der östliche tibetische teil mit seiner einmaligen, lebhaften altstadt…
…und dem hoch auf einem hügel gelegenen, die stadt überragenden ehemaligen sitz des dalai lamas, dem potala palast,…
…der ebenso wie der heiligste buddhistische tempel in tibet, der jokhang tempel, das ziel tausender pilger ist.
viele von ihnen reisen zu fuß, sich alle zwei schritte niederwerfend und auf den boden ausstreckend, und oft von weit her an.
tief bewegt beobachte ich den nicht endenden strom der über die barkhor straße – die mittlere dreier konzentrischer pilgerstrecken, die altstadt umrundend – ziehenden pilger, gebetsmühlen in der hand und gebete murmelnd, an gebetssäulen, kleineren tempeln und altären auf dem weg, vor allem aber dann am jokhang tempel verhaltend oder sich niederwerfend.
meist sind es ältere menschen, ihre gesichter und körper stark vom entbehrungsreichen leben und dem höhenklima gezeichnet, aber auch junge männer mit dem traditionellen roten oder schwarzen haarschmuck und junge, auffallend rotwangige frauen, die meisten ein freundliches lächeln zeigend.
die unterschiedlichen, oft sehr farbenfrohen trachten sowie arm-, hals- und und haarschmuck aus türkis und koralle lassen herkunft und status der pilger erkennen.
immer wieder zieht mich diese kora, der bußgang über die barkhor, in ihren sog – zu faszinierend die sich hier wie auch im potala palast und den besuchten klöstern äußernde tiefe und friedfertige spiritualität des tibetischen buddhismus, die, anders als z. b. von mir im muslimischen iran beobachtet, jede fundamentalistische ausprägung oder jeden fanatismus vermissen lässt.
einen höhepunkt stellt der besuch des sera klosters mit seinen 250 gelug- oder gelbhut-mönchen – ehemals 22.000! – und seiner debattierschule dar. im schattigen garten des klosteres üben sich junge und reifere mönche im spirituellen disput zur vorbereitung auf ein ihre ausbildung abschließendes examen, das ihnen im erfolgsfall einen höheren status in der klösterlichen hierarchie und größere wertschätzung bei der tibetischen bevölkerung gewährt, von deren gaben und spenden sie einzig ihren lebensunterhalt bestreiten.
dies gilt gleichermaßen für die bewohnerinnen des buddhistischen nonnenkloster tsamkhung, in dem ich bei meinem besuch herzlich willkommen bin.
das sich dem betrachter so darbietende friedliche bild konterkarrierend ist die allgegenwärtige präsenz von polizei und schwer bewaffnetem militär (fotografieren verboten!), letzteres in sechser-gruppen in dichter folge durch die altstadt patroullierend und an vielen punkten der stadt aufgestellt. meist sind es junge chinesische soldaten, die sich erkennbar unwohl fühlen in ihrer aufgabe, die macht der zentralregierung in so martialischer weise zu repräsentieren. berichtete rund 100 selbstverbrennungen, überwiegend buddhistischer mönche, alleine in diesem jahr zeugen allerdings von der entschlossenheit der tibeter, ihren kampf um menschenrechte fortzuführen, und lassen die autonome republik noch immer als eines der instabilsten gebiete chinas erkennen.
einen geradezu krönenden abschluss meiner tibet-reise stellt die fast ganztägige exkursion dar, die mich zum größten der heiligen seen der tibeter bringt, dem auf 4.718 m liegenden, von den 7.000er gipfgeln des nian chen thang lha überragten und über den 5.190 m hohen lakenla pass erreichbaren nam-co see (türkis-see), dem höchstgelegenen see der welt.
zu meiner verwunderung stelle ich fest, dass der nam-co, wie bereits von namgyal angekündigt, entgegen aller veröffentlichungen und einschlägigen dokumentationen kein salz-, sondern ein frischwassersee ist – selbst gekostet! viel beeindruckender aber ist die schönheit dieses sees, der unter klarem himmel in tiefblau und türkis (nomen est omen!) schillert und so einen wunderbaren kontrast zu den frisch beschneiten ihn umgebenden gipfeln und den tausenden an seinem ufer aufgespannten bunten gebetsfahnen bildet.
nur schweren herzens steige ich am letzten tag in den flieger zurück nach chengdu, wo ich nach knapp zwei stunden flug wieder eintauche in die atmosphäre einer modernen, im vergleich zu tibet in vielen aspekten doch eher westlich geprägten metropole.